Klimaschutz in der Mobilitätsplanung

Status Quo: Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor

Der Verkehrssektor gehört zu den Sektoren mit den höchsten Treibhausgasemissionen in Deutschland: Er hat im Jahr 2022 insgesamt 148 Mio. t CO2-Äquivalente ausgestoßen und war demnach für 20 % der Gesamtemissionen in Deutschland verantwortlich¹. Dem Straßenverkehr können fast 98 % der sektorbezogenen Emissionen zugeschrieben werden.

Im Verkehrssektor wurden bisher nur geringe Emissionsreduzierungen erreicht: Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 sanken die Emissionen nur zu 9,4 %, was der niedrigste Wert aller Sektoren gewesen ist. Zum Vergleich: Die Gesamtemissionen in Deutschland sanken im selben Zeitraum um 40,4 %. Aus diesem Grund nimmt der Anteil des Verkehrssektors an den Gesamtemissionen zu.

Abb. 1: Rolle des Verkehrssektors bei den Treibhausgasemissionen in Deutschland. [Quelle: Umweltbundesamt]

Die Emissionen nehmen kaum ab, weil zum einen die Verkehrsleistung stark zugenommen hat und die realen Emissionswerte höher liegen als die Laborwerte und deutlich über den gesetzlichen Maßgaben: Zwischen 1991 und 2019 nahm die Verkehrsleistung im Personenverkehr um fast 34 % zu (28,6 % beim MIV). Die inländische Güterverkehrsleistung stieg im selben Zeitraum um 75 % (103 % beim Straßengüterverkehr)². Der Personenverkehr soll bis 2030 gegenüber 2015 um weitere 6,6 % wachsen, der Güterverkehr um 23,4 %. Aufgrund strengerer CO2-Standards und der Elektrifizierung sollen die Emissionen im Straßenpersonenverkehr abnehmen, im Straßengüterverkehr zunehmen³. Jedoch wurde festgestellt, dass die real im Straßenverkehr emittierten Werte dauerhaft höher liegen als bei Labortests und deutlich über den gesetzlichen Maßgaben⁴. Diesel-Pkw sind durchschnittlich wieder auf dem Wert von 2010 (ca. 170 g CO2/km), Benzin-Pkw nur leicht darunter (ca. 162 g CO2/km). Das hängt auch damit zusammen, dass Pkw immer größer und schwerer wurden und eine größere Motorenleistung besitzen. Das wiegt den technologischen Fortschritt an anderer Stelle auf. Seit 2020 sind in der Gesamtbetrachtung durch steigende Absatzzahlen bei Elektroautos erste Fortschritte zu erkennen.

Die Ziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) für den Verkehrssektor für das Jahr 2030 werden vsl. nicht eingehalten: Für 2030 dürfen im Verkehrssektor 85 Mio. t CO2-Äquivalente ausgestoßen werden. Der Expertenrat für Klimafragen bescheinigt den bisher vorgelegten Maßnahmen, dass deren Wirkung tendenziell überschätzt werden und diese nur als „teilweise wahrscheinlich“ einstuft⁵. Im Projektionsbericht 2023⁶ für Deutschland geht man von einer Zielerreichungslücke 2030 von 27,7 – 34,7 Mio. t CO2-Äquivalente aus. Auch in den nächsten Jahren bis 2030 werden die Ziele laut KSG vsl. nicht erreicht. Die Aufsummierung aller Lücken zwischen 2023 bis 2030 ergeben eine Gesamtlücke von 187 – 210 Mio. t CO2-Äquivalente. Das entspricht ca. zwei Drittel der Gesamtlücke aller Sektoren für Deutschland. Das bedeutet, dass Deutschlands Verkehrssektor bis 2030 in dieser Projektion bis zu 210 Mio. t mehr ausstößt, als laut Gesetz (= Konformität mit dem Pariser Abkommen zur Begrenzung der globalen Erwärmung um 1,5 °C) vorgesehen ist.

Abb. 2: Entwicklung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland und Ziele nach Klimaschutzgesetz. [Quelle: Umweltbundesamt und Bundesregierung]

Situation in Hessen

Für Hessen konnten im Zeitraum 1990 bis 2019 insgesamt 3 % Treibhausgase im Verkehrssektor eingespart werden⁷. Nach deutlichen Einsparungen insbesondere in der Zeit von 2000 bis 2010 stiegen die Emissionen bis zur Corona-Pandemie wieder an und erreichten fast den Wert von 1990. In der Corona-Pandemie sind durch die entsprechenden Einschränkungen niedrigere Emissionen als in den Jahren zuvor zu beobachten, die nach den Corona-Einschränkungen jedoch wieder zunahmen. Das zeigt, dass noch sehr viel Handlungsbedarf besteht. Der Verkehrssektor macht mit 37,6 % (2021) an den Gesamtemissionen in Hessen den größten Teil aus. Für Hessen lauten die Klimaschutzziele nach § 3 HKlimaG, angelehnt an die Klimaschutzziele des Bundes, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um mindestens 40 % bis 2025, 65 % bis 2030 und mindestens um 88 % bis 2040 reduziert werden. Ab dem Jahr 2045 soll Netto-Treibhausgasneutralität bestehen. Für den Verkehrssektor hat das Kabinett der hessischen Landesregierung Ende 2021 eine Reduktion der Treibhausgasemission von 35 % bis 2030 beschlossen⁸.

Abb. 3: Übersicht der Emissionen nach Sektoren in Hessen. [Quelle: Statistisches Landesamt; eigene Darstellung]

Klimaschutz in der Mobilitätsplanung

Eine frühzeitige Integration von Klimaschutz in die Mobilitätsplanung macht die Bildung einer längerfristigen Agenda möglich, wie die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor reduziert werden können. Wie die Zahlen zeigen, ist die Menge der Treibhausgase im Verkehrssektor deutlich über den gesetzlich festgelegten Zielwerten und muss deutlich reduziert werden. Für Klimaschutz in der Mobilitätsplanung ist es daher wichtig, dass Klimaschutzziele zu den weiteren Zielen der Mobilitätsplanung integriert werden. Hierfür kann festgelegt werden, dass – ähnlich einem Klimaschutzkonzept – in einem bestimmten Jahr nur noch eine maximale Menge an Treibhausgasen aus dem Verkehrssektor emittiert werden dürfen. Hierzu ist zudem ein Absenkpfad mit Zwischenzielen festzulegen, der in einem regelmäßigen Monitoring geprüft wird. die Entwicklung von einem Monitoring-Verfahren, das die Wirkung der im Mobilitätsplan benannten Maßnahmenpakete auch in Bezug auf die Minderung von Treibhausgasemission beobachtet, können Kommunen einen nachhaltigen, integrierten Mobilitätsplan nutzen, um gezielt CO2-Einsparungen im Verkehrsbereich umzusetzen. Auch können Klimaschutzteilkonzepte für den Bereich Mobilität, die an die strategische Zielsetzung eines integrierten Mobilitätsplan verknüpft sind (z. B. durch einen Zeit- und Kostenplan, der die Zielsetzung des übergeordneten Plans entspricht), genutzt werden, um CO2-Minderung im Verkehrsbereich umzusetzen. Kommunen können durch gezielte Maßnahmenpakete auf unterschiedliche Bereiche Einfluss nehmen. Wichtig dabei ist es, die Auswirkungen der Maßnahmen zu messen und zu analysieren, um im Prozess der Mobilitätsplanung ggf. nachsteuern zu können. Wichtig ist, das Thema integriert zu betrachten und nicht nur als Thema der Antriebswende. Die ist wichtig und kann viele Emissionen einsparen, jedoch ist zusätzlich die Mobilitätswende als Zusammenspiel weiterer Strategien notwendig: Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern und gerechter gestalten⁹. Dies erfordert eine umfassende Betrachtung des Themas, wie z. B. durch nachhaltige, integrierte Mobilitätspläne nach den SUMP-Prinzipien.

Klimaanpassung im Verkehr

Eine nachhaltige, integrierte Mobilitätsplanung bietet die Möglichkeit, Themen integriert zu betrachten. So kann die Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise (Klimaanpassung) bei der Planung von Mobilität mitbedacht werden. Im Mobilitätsbereich liegen hierfür Potenziale, die insbesondere die negativen Auswirkungen durch versiegelten (Verkehrs-)Flächen adressieren:

  1. Versiegelte (Verkehrs-)Flächen heizen sich stärker auf und geben die Hitze bis in die Nacht hin an ihre Umgebung ab. Sie erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit auf Heiße Tage (mindestens 30 °C als Maximaltemperatur) und Tropennächte (mindestens 20 °C als Minimaltemperatur, die für die Gesundheit schädlich sind. Die Anzahl dieser Tage nimmt infolge der Klimakrise zu.
  2. Versiegelte (Verkehrs-)Flächen besitzen einen höheren Abfluss bei Niederschlag und eine niedrige Versickerungsleistung. Bei Starkregenniederschlägen werden sie überflutet und leiten bei entsprechender Topografie die Niederschlagsmengen direkt weiter. Es drohen Schäden durch Überflutungen. Die Anzahl an Starkregenereignissen nimmt infolge der Klimakrise zu.
  3. Versiegelte (Verkehrs-)Flächen sind für Flora und Fauna quasi tote Flächen. Klimakrise und Biodiversitätskrise gehören zusammen und verstärken sich gegenseitig¹⁰.

Es sollte aus Sicht der Klimaanpassung daher ein Ziel der nachhaltigen Mobilitätsplanung sein, dass Verkehrsmengen verringert und effizienter gestaltet werden, sodass die benötigte (versiegelte) Verkehrsfläche auf das notwendigste reduziert wird. Ein sparsamer Umgang mit Grund und Boden ergibt sich zudem aus dem Baugesetzbuch (§ 1a BauGB). Die Bundesregierung hat sich zudem das Ziel gesetzt, im Jahr 2030 maximal 30 Hektar neue Flächen für Siedlungen, Gewerbe, Verkehr etc. pro Tag in Deutschland zu beanspruchen. Derzeit sind es noch fast das Doppelte¹¹.

Quellenangabe

¹ Umweltbundesamt (2023): Klimaschutz im Verkehr.
Link: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/klimaschutz-im-verkehr#undefined

² Umweltbundesamt (2023): Fahrleistungen, Verkehrsleistung und Modal Split in Deutschland.
Link: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/fahrleistungen-verkehrsaufwand-modal-split#fahrleistung-im-personen-und-guterverkehr

³ Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (2019): Wege zur Erreichung der Klimaziele 2030 im Verkehrssektor. Arbeitsgruppe 1 – Klimaschutz im Verkehr.

Europäischer Rechnungshof (2024): Sonderbericht 01/2024. Reduktion der CO2-Emissionen von Pkw: Maßnahmen gewinnen endlich an Fahrt, doch stehen noch Herausforderungen bevor.
Link: https://www.eca.europa.eu/ECAPublications/SR-2024-01/SR-2024-01_DE.pdf

Expertenrat für Klimafragen (2023): Prüfbericht 2023 für die Sektoren Gebäude und Verkehr.

Umweltbundesamt (2023): Projektionsbericht 2023 für Deutschland.

Hessisches Statistisches Landesamt (2023): Treibhausgasbilanz für das Land Hessen. Bilanzjahr 2021.
Link: https://statistik.hessen.de/unsere-zahlen/energie/hessische-treibhausgasbilanz-2021

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2023): Klimaplan Hessen. Auf dem Weg zur Klimaneutralität. Link: https://umwelt.hessen.de/sites/umwelt.hessen.de/files/2023-03/der_klimaplan_hessen_barrierefrei.pdf

Bundeszentrale für politische Bildung (2023): Nachhaltige Mobilität. Die Herausforderungen einer Verkehrswende.
Link: https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/516500/nachhaltige-mobilitaet/

¹⁰ Karlsruher Institut für Technologie (2023): Klima- und Biodiversitätskrise dürfen nicht isoliert betrachtet werden.
Link: https://www.kit.edu/kit/pi_2023_029_klima-und-biodiversitaetskrise-duerfen-nicht-isoliert-betrachtet-werden.php

¹¹ Umweltbundesamt (2022): Flächensparen – Böden und Landschaften erhalten.
Link: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-flaeche/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#flachenverbrauch-in-deutschland-und-strategien-zum-flachensparen

Weitere Informationen

Klimaschutz im Verkehr (Umweltbundesamt): Allgemeine Informationen zum Thema Klimaschutz im Verkehrsbereich, zum Ausmaß, übergeordneten Maßnahmen und zu weiteren Verweisen zu benachbarten Themen:
https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr/klimaschutz-im-verkehr

Emissionen des Verkehrs (Umweltbundesamt) – Wo wird wie viel und was im Straßenverkehr emittiert?: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#verkehr-belastet-luft-und-klima-minderungsziele-der-bundesregierung

Praxisleitfaden Klimaschutz in Kommunen (Difu) – Das Handlungsfeld Mobilität und Transport:
Maßnahmenbereiche für Klimaschutz im Verkehr, die die Kreise und Kommunen beeinflussen können; zusätzlich werden 16 exemplarische Maßnahmensteckbriefe inkl. u. a. Zuständigkeiten, Erfolgsfaktoren, Bewertung gegeben:
https://leitfaden.kommunaler-klimaschutz.de/handlungsfelder-im-kommunalen-klimaschutz/mobilitaet-und-transport/

Kommunale Treibhausgasbilanzierung für den Verkehrssektor – Ein praxisorientierter Leitfaden für hessische Kommunen und Landkreise vom Fachzentrum Nachhaltige Mobilitätplanung Hessen. Wie können wir Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrsbereich gezielt und langfristig mindern?
https://mobilitaetsplanung-hessen.de/wp-content/uploads/2024/04/240410_HTAI_Broschuere_Verkehrsbilanzierung_Final.pdf

Praxisleitfaden Klimaschutz in Kommunen (Difu) – Die quantitative Ist-Analyse in Form von (Emissions-)Bilanzen:
Einführung in die kommunale Energie- und Treibhausgas-Bilanzierung (auch für den Verkehrssektor). Was ist zu berücksichtigen? Was benötigt man? Wie funktioniert diese grob?
https://leitfaden.kommunaler-klimaschutz.de/klimaschutzkonzept/die-quantitative-ist-analyse/

BISKO Bilanzierungs-Systematik Kommunal – Empfehlungen zur Methodik der kommunalen Treibhausgasbilanzierung für den Energie- und Verkehrssektor in Deutschland (ifeu):
Zusammenfassung zur Funktionsweise, Datenbedarf und Annahmen der Methodik.
https://www.ifeu.de/publikation/bisko-bilanzierungs-systematik-kommunal/

Empfehlungen zur Anwendung und Weiterentwicklung von FGSV-Veröffentlichungen im Bereich Verkehr zur Erreichung von Klimaschutzzielen (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen):
Wie sollten Baulastträger oder deren Auftragnehmern welche FGSV-Veröffentlichungen lesen, um bei der Anlage von Verkehrsanlagen und öffentlichen Räumen Klimaschutzziele zu unterstützen (inkl. Steckbriefe)?
https://www.fgsv-verlag.de/e-klima-2022

Zusätzlich hat die Initiative der Arbeitsgemeinschaften fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen in Deutschland eine Kurzzusammenfassung der FGSV-Empfehlung erstellt:
https://www.agfk-bw.de/fileadmin/user_upload/AGFK-Faktenblatt_E_Klima.pdf

Faktencheck Klimaschutz im Verkehr (KEA-BW, Landesenergieagentur Baden-Württemberg):
Welche häufig verwendeten Argumente gegen Klimaschutz im Verkehr gibt es und mit welchen faktenbasierten Antworten (inkl. Quellen) kann man antworten?
https://www.kea-bw.de/nachhaltige-mobilitaet/wissensportal/faktencheck-klimaschutz-im-verkehr#c7086-content-3

Klimakommunikation im Verkehr (KEA-BW, Landesenergieagentur Baden-Württemberg):
Warum und welche Kommunikation für mehr Klimaschutz im Verkehr wichtig ist.
https://www.kea-bw.de/nachhaltige-mobilitaet/wissensportal/klimakommunikation-im-verkehr

Was wir heute übers Klima wissen – Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind (Deutsches Klima-Konsortium), Stand 2023: https://www.deutsches-klima-konsortium.de/de/basisfakten.html#c5761

BlueGreenStreets Toolbox – Teil A & B. Multifunktionale Straßenraumgestaltung urbaner Quartiere (HafenCity Universität Hamburg):
Planungshilfe (Praxisleitfaden + Steckbriefe) zur Neugestaltung bestehender Straßen zur Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise. https://www.bgmr.de/de/news_items/toolbox

Gewerbegebiete – klimaangepasst und fit für die Zukunft! Praxisbeispiele aus Kommunen und Unternehmen (HLNUG):
Welches Potenzial bietet u. a. der Verkehrsraum von Gewerbegebieten zur Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise (insbesondere Hitze- und Starkregenprävention)?
https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/klima/klimprax/Gewerbegebiete-_klimaangepasst_und_fit_web.pdf

Kontakt

David Stoitner

David Stoitner

Projektmanager Klimaschutz in der Mobilitätsplanung